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Ist Telezentrie wirklich die Lösung für präzises optisches Vermessen?

Um diese Frage zu beantworten und die unterschiedlichen Optionen, die unsere Kalkulatoren bieten, besser zu verstehen, gehen wir hier auf einige grundlegende Erklärungen rund um die optische Messtechnik ein.

Maßhaltigkeitsprüfung mit 2D Bildverarbeitung

Wenn wir von hochgenauem Messen sprechen, dann geht es üblicherweise darum, dass man vermessen möchte, wie breit und/oder wie hoch ein Objekt ist. Zusätzlich sollen Merkmale des Objekts wie Bohrungen, Löcher, einzelne Bauteile, Kleberaupen oder Ähnliches in Breite oder Höhe vermessen werden.

Oder man möchte beispielsweise wissen, wo diese Objekte in Relation zu den Rändern des gesamten Objektes liegen, das können Informationen über die Entfernung zum Rand oder die Drehlage sein.

Menschliches Auge vs. Kameratechnik

Der Mensch erkennt mit dem Auge die Ränder eines Objekts oder eines Merkmals meist sofort. Für die Bildverarbeitung ist dies dagegen nicht immer so klar, da sie vielen physikalischen Grenzen und Bedingungen unterliegt.

Wenn ein Bildverarbeitungssystem die Ränder eines Objekts untersucht, sprechen wir von "Kanten". Diese Kanten sind Übergänge von hell nach dunkel, oder umgekehrt. Dabei kann sich die Übergangsrichtung auch "über die Kante hinweg" ändern. Diese Übergänge werden mit sogenannten Kantenwerkzeugen extrahiert. Dabei muss man beachten, dass das Bild über die Optik auf einen Sensor projiziert wird, der eine endliche Anzahl an Pixeln (einzelne lichtempfindliche Elemente eines Sensors) hat. Üblicherweise ist die Genauigkeit, die beschreibt, wo genau der Übergang von Hell nach Dunkel stattgefunden hat, auf die Anzahl der Pixel beschränkt, auf welche sich die Kante abbildet. Zusätzlich hat man das Problem, dass man bei einem Sensor den Übergang von Schwarz auf Weiß nicht von einem Pixel auf das Nachbarpixel abbilden kann. Es fällt immer etwas Licht von der dunklen Seite aud das Pixel, das eigentlich den hellen Bereich misst, und umgekehrt. Um eine Kante darzustellen, benötigt man mindestens 2, besser 3 Pixel, über welche man eine Kante messen kann.

Problem Abtasttheorem

Nur der Vollständigkeit halber sei hier das klassische Problem der Physik als Abtasttheorem nach Nyquist erwähnt, das besagt, dass man jedes Signal mit der doppelten Frequenz der Aufllösung abtasten muss. Diese Tatsache stellt die Grenze der optischen Auflösung dar.

Erklärung Abtasttheorem

Wenn also in unserem Kalkulator nach der Breite des Messfelds gefragt wird, wollen wir wissen, wie groß der Bildbereich ist, der vermessen werden soll, und welcher Teils des Bildes auf die breite Seite des Sensors abgebildet wird. Damit wissen wir, wie viele Pixel wir z.B. pro Millimeter zur Verfügung haben.

Die nächste Frage, die beantwortet werden muss, ist die nach der Auflösung. Welchen kleinsten Fehler bzw. welches kleinste Objekt möchte man sehen und wie groß / wie breit ist dieses? Basierend auf diesen Informationen und der Anzahl der Pixel pro mm können wir die benötigte Auflösung berechnen oder umgekehrt aus Ihren Vorgaben die nötige Anzahl Pixel einer Kamera und die weiteren benötigten optischen Komponenten definieren.

Pixelgenaues Messen vs. subpixelgenaues Messen

Wenn die Kanten eines Messobjekts scharf sind und aus dem Aufbau des Systems bekannt ist, wie die Daten entstehen, können diese Kanten auch so vermessen werden, dass man gültige Ergebnisse "innerhalb" eines Pixels erhält. In diesem Fall kann man über die eigentliche Auflösung Pixel/mm bis zu einem Faktor 10 hinausgehen und "zwischen den Pixeln" messen. Diese mathematische Erhöhung der Auflösung wird "subpixeling" genannt. Bei dieser Technik ist allerdings Vorsicht geboten, da man keine realen Daten verwendet, sondern interpoliert und sich die Frage stellen muss, ob Ergebnisse im Sub-Komma-Bereich Sinn machen und reale Messwerte darstellen.

Da wir Subpixel-Technik nur anwenden können, wenn die Kanten eine bestimmte Beschaffenheit haben und das System bestimmten Voraussetzungen unterliegt, haben wir in unseren Kalkulatoren mehrere "Aufgaben" bzw. "Aufnahmesituationen" definiert.

pixelgenaues vs subpixelgenaues Vermessen

Messung im Durchlicht

Vermessen im Durchlicht

Der einfachste Fall der optischen Messtechnik ist die Verwendung der sogenannten Durchlicht-Variante. Dabei ist das Messobjekt zwischen einer Beleuchtung und der Kamera positioniert, idealerweise mit einigem Abstand zur Beleuchtung. Die Kamera sieht also "ins Licht" und das Objekt wird nur als Schattenwurf gesehen, so wie der Mond (Objekt) schwarz wird, wenn er bei einer Mondfinsternis zwischen Betrachter (Kamera) und Sonne (Lichtquelle) tritt.

In diesem Fall treffen die Lichtstrahlen aus dem "Unendlichen", also sehr parallel auf das Objekt bzw. streifen das Objekt und treffen auf den Sensor. Überall, wo das Objekt "getroffen" wird, werden im Bild die Pixel schwarz/dunkel, alles andere verbleibt weiß/hell. Der Übergang, also die Kante, kann nun sehr gut, auch subpixelgenau, vermessen werden.

Allerdings muss klar sein, dass nur die "äußerste Kontur" vermessen werden kann. Alle Elemente auf dem Objekt verbleiben für die Kamera schwarz, d.h. wenn Elemente auf einem Objekt vermessen werden sollen, ist die Durchlicht-Variante ungeeignet.

Für eine hohe Messgenauigkeit ist eine parallele Lichtrichtung sehr wichtig. Diese muss in der realen Messtechnik erst mit der Beleuchtung hergestellt und durch die Optik, z.B. eine telezentrische Optik unterstützt werden. Deshalb unterscheiden wir bei unseren Kalkulatoren zwischen telezentrischer und endozentrischer Aufnahmetechnik.

Detaillierte Informationen zu diesen Aufnahmetechniken finden Sie in unserem Whitepaper
"Messgenauigkeit ist das A&O: Telezentrische Vermessung vs. endozentrische Vermessung"

Beispiel Münzprägung

Nehmen wir das Beipiel einer Münzprägung. Hier geht der Anwender davon aus, dass eine Münze einen geprägten Rand hat, der 90° zur Oberfläche liegt und als sehr scharf angenommen wird. Das stimmt aber nicht, denn die Münze hat einen leichten Bauch und dieser wird vermessen.

Schlimmer noch, bei der Prägung kann etwas Metall verdrängt werden, das hervorstehen kann, vielleicht auch "ganz unten" an der Münze. In diesem Fall würde die äußerste Spitze des verdrängten Metalls vermessen werden und nicht die eigentliche Kante, die man "von oben" sieht. Daher ist es für das Verständnis der Ergebnisse sehr wichtig zu wissen, wo genau gemessen wird. Im beschriebenen Fall kann natürlich auch genau dieser hervorstehende Span ein Fehler sein, der erkannt und vermessen werden soll.

Münzvermessung im Durchlicht und Auflicht

Die bisher erklärten Bedingungen und Einschränkungen sind aber nur die "einfachen" physikalischen Bedingungen. Für eine hochgenaue Messtechnik, also Messungen im Bereich von 1-2 µm und darunter, müssen weitere physikalische Eigenschaften wie

  • Vibrationen (welchen man z.B. mit kurzen Belichtungszeiten oder schwerer Mechanik begegnen kann)
  • Beugung am Spalt (also der Eigenschaft der Objektkanten oder er Optikeinstellungen)
  • Wellenlänge des Lichts (verwendet man nur eine Farbe oder eventuell Infrarot, bei dem die Wellenlänge selbst schon 1 µm ist)

berücksichtigt werden. Detaillierte Erklärungen hierzu sprengen jedoch den hier ohnehin schon weit gesteckten Rahmen vollends.

Messung im Auflicht

Vermessen im Auflicht

Möchten wir Elemente auf einem Objekt messen, müssen wir im Auflicht arbeiten. In dieser Beleuchtungssituation treten bezüglich Lichtrichtung und Kanteneigenschaften oft weitere Probleme auf. Um diese besser zu erklären zu können, müssen wir noch auf einige weitere Eigenschaften des Lichts eingehen.

Wenn Licht auf ein Objekt trifft, wird es normalerweise vom Objekt etwas absorbiert, d.h. ein Teil des Lichts verbleibt als Energie "im Material", aber vor allem wird es reflektiert. Das machen wir uns in der Bildverarbeitung zu Nutze. Die Reflexion erfolgt nach dem einfachen Gesetz von Eintrittswinkel = Austrittswinkel. So weit so einfach - schwierig nachzuvollziehen aber wichtig für das Verständnis der optischen Messtechnik bzw. der Bildverarbeitung im Allgemeinen ist: Die Kamera (im Übrigen auch das Auge) sieht die Objekte nicht. Sie sieht nur das vom Objekt  reflektierte Licht. Daher müssen wir steuern wie das Licht so auf das Objekt gelenkt wird, dass dessen Reflexion in der Kamera, bzw. in der Optik, landet. Zusätzlich müssen wir beachten, wie das Objekt aufgebaut ist, also wo die Lichtstrahlen auftreffen und in welchem Winkel diese zurückgeworfen werden. Hier kommt das Messobjekt ins Spiel. Ist die Kante aber, wie bei den meisten realen Objekten, leicht gerundet, wird das Licht über alle Winkel reflektiert und nur ein Teil landet auf dem Sensor. Allerdings ist dies meist weder der Anfang noch das Ende der Krümmung, sondern irgendwo dazwischen.

Ist ein zu vermessendes Objekt identisch gefertigt, eigentlich eine Grundvoraussetzung der Serienproduktion,  und weist nur eine geringe Rundung auf, kann die Kante in einer wiederholbaren Licht- und Positionssituation an der gleichen Stelle relativ genau vermessen werden.

Dies ist die Situation, bei der wir in unserem Kalkulator von "klaren Kanten" sprechen. Klare Kanten sind für uns kontrastreiche Kanten, können aber auch gut erkennbare Übergänge von einem Material/einer Oberfläche zu einem anderen, oder von einer Farbe zu einer anderen sein. In beiden Fällen entsteht der notwendige Kontrast üblicherweise durch unterschiedliche Absorptionseigenschaften.

Im Gegensatz dazu sprechen wir von "unklaren Kanten", wenn Objektränder wenig Kontrast, bzw. große oder sich ändernde Rundungen aufweisen, oder aus unterschiedlichen Materialien / Oberflächen mit ähnlich starken Absorptionseigenschaften gefertigt sind und deshalb zu wenig Licht auf den Sensor reflektiert wird. Prinzipiell können wir auch "unklare Kanten" messen, dies erfordert aber einige Tricks und mehr Aufwand und liefert normalerweise auch nicht die Genauigkeit wie "klare Kanten".

Validierung eines optischen Messsystems

Als letzten grundlegenden Punkt der (optischen) Messtechnik möchten wir uns mit der Validierung des Messsystems bzw. der Vergleichbarkeit mit anderen Messverfahren auseinandersetzen.

Vermessung einer Münze

Gehen wir auf die Situation der "klaren Kante" mit kleiner Rundung und das Beispiel Münzvermessung zurück. Nehmen wir an, die Münze ist am Übergang von der Oberfläche zum Rand 90° abgeknickt und der Radius des Knicks ist klein. In diesem Fall haben wir Schwierigkeiten die Messergebnisse der optischen Messtechnik mit denen einer mechanischen Schieblehre zu vergleichen, die einfach die äußerste Metallverdrängung der einen Seite und die äußerste Metallverdrängung der anderen Seite misst.

Im Auflicht vermessen wir den Punkt mit der höchten Reflexion auf dem runden Knick mit dem entsprechenden Punkt auf der gegenüberliegenden Seite der Münze. Diese beiden Messungen (mechanisch / optisch im Auflicht) können nicht übereinstimmen, da sie an unterschiedlichen  Positionen erfolgt sind. Für eine genaue Übereinstimmung müsste man die Rundung für viel Geld in einem Labor mit einem taktilen Messsystem vermessen lassen und genau herausfinden, wo der Punkt mit der höchsten Reflexion in Realität ist und einige weitere Punkte korrigieren, wie z.B. die Tatsache, dass das taktile Messsystem die raue Oberfläche nur auf den "Materialbergen" vermisst und die Bildverarbeitung bis in die "Täler" kommt und diese mittelt.

Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es auch. Hierfür gibt es Verfahren wie eine MSA (Measurement System Analysis), auf Deutsch Messsystemanalyse bzw. Messmittel-Fähigkeitsanalyse oder Prüfmittel-Fähigkeitsanalyse, die dem Anwender eine vor Auditoren belastbare Messmittelfähigkeit bestätigen.

Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen möchten, verweisen wir auf unser Whitepaper
"Messmittelfähigkeitsanalyse für optische Messsysteme"

 

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